FAZ vom 20.03.2001
Alfons Rissberger − Strategie Consulting

Frankfurter Allgemeine Zeitung, Dienstag, 20. März 2001

Verlagsbeilage zur CeBIT 2001

IT für Führungskräfte

Wenn Chefs und IT-Experten sich ausnahmsweise einmal verstehen

Von Alfons Rissberger *)

Bei einem Aperitif stehen mehr als 150 hanseatische Kaufleute in der Lounge eines Hamburger Fünf-Sterne-Hotels beieinander, unterhalten sich, pflegen alte Kontakte. Sie sind einer Einladung der Hamburger Sparkasse zu meinem Demonstrationsvortrag "Multimedia – Der Boss muss ran" gefolgt. Zwischen den Gesprächsfetzen über die allgemeine wirtschaftliche Lage sind auch kleine Fachsimpeleien über kürzlich angeschaffte Computer, Online-Banking, Mail und Internet zu verstehen. Nicht erstaunlich ist, dass hier und da Zweifel geäußert werden, ob man denn den Referenten überhaupt verstehen könne ("Hoffentlich wirft der nicht mit so vielen Abkürzungen und englischen Begriffen um sich!") und was das wohl persönlich bringen würde ("Ach, wir machen ja schon das meiste über PC und Internet hab‘ ich jetzt auch.").

Zwei Stunden später gibt es Applaus, aber die Gesichter zeigen auch Betroffenheit. Die Führungskräfte und Chefs mittlerer und großer Unternehmen haben begriffen, was im IT-Bereich heute abgeht - weil ihnen Hintergründe - nicht der Technologie, sondern des Einsatznutzens - plausibel wurden.

Tatsache ist, dass der viel beschworene Paradigmenwechsel, dass die Informationstechnik nicht länger nur Hilfsmittel, sondern integraler, ja teilweise initialer Bestandteil der Wertschöpfungskette geworden ist, nach einer fundierten, ganzheitlichen strategischen Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnik verlangt.

Viele Führungskräfte erkennen zwar die Bedeutung eines ausgewogenen IT-Einsatzes, doch haben sie permanent ein schlechtes Gewissen und ein ungutes Gefühl ob der eigenen unzureichenden Kenntnisse. Verständlich, es ist immer eine Gratwanderung zwischen einem Zuwenig und dem Zuviel. Einerseits haben zu geringe Investitionen als Ergebnis, dass die kritische Masse nicht erreicht wird. Dann ist es sinn- und wertlos, und man kann es gleich lassen. Auf der anderen Seite werden zu hohe Investitionen getätigt, die mit Blick auf Kundenzufriedenheit, Prozessoptimierung und Effizienzverbesserungen der Firma keinen Nutzwert bringen.

Zwei verschiedene Welten

Ein Software-Vertriebsmann ist in den seltensten Fällen der geeignete Berater, der die zunehmende Schnittmenge zwischen Management, Organisation und IT-Einsatz gleichermaßen beherrscht. Doch gerade diese Schnittmenge ist heute – egal ob privatwirtschaftliche Firma oder öffentliche Institution – das entscheidende Kriterium für den erfolgreichen IT-Einsatz.

Was stellt man allerdings immer wieder in IT-Assessments fest? Um es einmal kurz zu sagen: Es knirscht im Getriebe. Chefs haben häufig eine zu geringe Kompetenz in Sachen IT-Nutzung und strategischer IT-Planung, obwohl sie bedeutende Grundsatz- und Investitionsentscheidungen fällen müssen. Die IT-Experten finden kein Gehör, da sie eine für die Chefebene unverständliche Sprache sprechen. IT-Teams sind massiv überfordert, weil sie nur "von der Hand in den Mund" leben - und die Nutzer sind oft frustriert, denn statt ihre eigentliche Arbeit machen zu können, kämpfen sie mit der Tücke des (IT-)Objekts.

Dabei geht es auch anders – wenn sich Geschäftsführung und IT-Verantwortliche an einem Tisch setzen und die bisher geschaffene IT-Unterstützung wie auch der zukünftige IT-Ausbau verständlich thematisiert und unter einem neutralen Blickwinkel beleuchtet werden. Anwender aus allen Hierarchiestufen des Unternehmens zeigen in Vier-Augen-Interviews, wo an der Basis der Schuh drückt. Abstrahiert und gespiegelt an allgemeinen Tendenzen und einschlägigen Erfahrungen, kann der Geschäftsleitung unmittelbar gezeigt werden, welche Dinge gut laufen, wo ein höhere Innovationsgeschwindigkeit erforderlich ist und wo eventuell "Leichen im IT-Keller" liegen, die dringend entsorgt werden müssen. So werden ausstehende technische, organisatorische und manchmal auch personell zu treffende Maßnahmen offenbar.

Sorge vor Gesichtsverlust

Oft ist auf der Chefebene immer noch die Meinung verbreitet, dass man die Entscheidungen über den IT-Einsatz den Fachleuten überlassen könne, die bisherigen Formen der Zusammenarbeit mit Sekretariat, Stabsstellen, Abteilungen ausreichend effizient seien und der Chef sich nicht unbedingt selbst mit der IT auseinandersetzen müsse. Eine ausreichende Beurteilung der hausinternen IT-Entwicklung ist meist nicht möglich, weil den Führungskräften die grundlegenden Zusammenhänge, Tendenzen und einschlägigen Erfahrungen weitgehend fehlen. Sie können mit den ständig neuen Begriffen wenig anfangen - und wen sollen sie fragen, ohne das Gesicht zu verlieren?

Obendrein ist in den meisten Firmen und Institutionen ein ziemlich genaues Bewusstsein für Fehlentwicklungen und notwendiges Handeln im informationstechnischen wie im dazugehörigen personellen Bereich vorhanden, aber oft hat niemand den Mut, diese Sachverhalte aufzugreifen. Bekannte Fehlentwicklungen und Verbesserungsvorschläge werden nicht angesprochen, da damit gleichzeitig die hierfür Verantwortlichen "angezählt" werden würden. So ist es nicht erstaunlich, dass eine externe IT-Revision eine vielfach bewährte Maßnahme ist, um Problemzonen des IT-Einsatzes und erforderliche Veränderungen aufzuzeigen, die auch morgen noch eine sichere und effektive Nutzung der IT gewährleisten.

 
*)  Geschäftsführer der DVZ Datenverarbeitungszentrum Mecklenburg-Vorpommern GmbH und Vorstandsmitglied der Initiative D21

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